Fremde.Menschen

Die Fremden und wir.

Das was wir kennen, das ist die Norm.
Und es soll normal bleiben, was wir als normal empfinden.
Normal ist der Gartenzaun und normal sind die Ruhezeiten, normal ist die Mülltrennung, normal ist, dass alle Menschen die weiße Hautfarbe haben.
Nichts soll sich ändern. Denn jede Veränderung birgt Unsicherheit und macht Angst.

Rund um den Feuerplatz lauschen wir gemeinsam in die Stille der Nacht,
wir suchen Geborgenheit im kleinen Kreis.

Die Anderen, die Fremden, sie verletzen unsere Kreise, sie stören unsere Ruhe, sie sind gefährlich. Das ist, was wir von jeher fühlen, wenn wir Fremden auf unserem Territorium begegnen.

Wenn wir zwischendurch unseren Blick von Außen nach Innen richten,
dann begegnen wir zuweilen diesem Befremden ob der Fremden auch in uns.
Die Fremden, sie sehen anders aus als wir. Sie gehören nicht zu uns.
Sie verunsichern uns.

Diese Regungen gehört zur menschlichen Natur. Angeboren ist aber auch der Impuls zu helfen. Immer schon hat der Mensch den Menschen gebraucht um zu überleben. Und so ist auch die Fähigkeit zur Solidarität eine zutiefst menschliche Eigenschaft.

Unsere Entscheidung Flüchtlinge zu unterstützen oder sie abzuwehren ist zunächst und allererst immer eine intuitive. Erst nach dem die Entscheidung gefallen ist, suchen wir sie zu begründen, weil wir ja, sozusagen, vernunftbegabte Wesen sind.

Es ist nicht nur der Pöbel, der die Fremden bei uns nicht haben möchte.
Es ist diese stille Angst, dieses ungreifbare, instinktive Unbehagen, welches die Menschen auch aus der Mitte der Gesellschaft eine Abwehrhaltung einnehmen lässt.

Diese Menschen klauen wie die Raben, sagen wir dann, viele von ihnen sind kriminell, oder gar alle, sagen wir dann, und wir sagen dann auch, wir sind nicht das Sozialamt der Welt, nein das sind wir nicht, und nichts ist stärker als unser Unbehagen.

Jetzt, da in Köln ein wildgewordener, aus der Gesellschaft gefallener Mob übergriffig geworden ist, haben all diese durch nichts belegte Lügen und Gerüchte scheinbar an Glaubwürdigkeit gewonnen. Und es ist als ob manche darauf gewartet hätten.
Die Schleusen der Wut dürfen sich jetzt endlich öffnen. Ein bis dahin latenter Rassismus erbricht sich in den öffentlichen Diskurs. Und die Politik trägt das Übrige dazu bei.

Vergessen wird dabei, oder es ist sowieso egal,
dass es Menschen sind, die bei uns Zuflucht suchen.
Frau, Mann, Kind und die Hoffnung auf ein menschenwürdiges Leben.
Wir schaffen das nicht, dieser Satz wird seit Monaten täglich bis zum Erbrechen wiederholt und tropft uns aus jeder Nachrichtensendung entgegen. Die Positionen politisch Andersdenkender werden beschossen bis der Widerstand bricht. Angesprochen und geschürt wird dabei des Volkes Angst vor den Fremden.
So manches Feuer findet hier zwar nicht seinen Anlass, aber seine Rechtfertigung.

Schluss sei jetzt mit der Willkommenskultur, her mit der Vernunftskultur heißt es, und damit muss gemeint sein: vernünftig ist es die Not der Vielen zu ignorieren,
und damit ist wohl auch gemeint, dass es jetzt ein Ende haben muss mit Mitgefühl und Hilfsbereitschaft.

Es müsse eine Obergrenze her, dass hören wir täglich, auf dass wir bald unsere Türen und Fenster fest verschließen und die Grenzen abdichten rund um das Land.
Und wenn dann noch einer kommt, und die Quote ist erfüllt, dann darf er nicht mehr zu uns rein.

Auf die Frage, wohin mit all den Menschen, die keinen Platz mehr bekommen in diesem Europa der gemeinsamen Werte, ist die Antwort immer ein ohrenbetäubendes Schweigen.

Dann mag er bleiben, dieser überflüssige Mensch, wo der Pfeffer wächst, oder dorthin zurück gehen, wo die Fassbomben fallen, oder dorthin wo es schlicht und einfach nichts mehr gibt zum Leben. Uns kümmert das nicht. Hauptsache alles bleibt wie es war.

Und dann werden wir unsere Grenzen befestigen müssen,
und sie bewachen, und vielleicht gibt es dann auch bald wieder einen Schießbefehl,
wenigstens mit Tränengas, und Schäferhunde wären auch vorstellbar,
weil sonst, ja sonst, dann klettern diese Menschen in ihrer Not einfach über den Zaun oder schneiden gar ein Loch hinein.

Und haben wir dann die Grenzen geschlossen,
dann schert uns offenbar nicht mehr das Grundgesetz,
und auch nicht die Genfer Flüchtlingskonvention,
dann brechen wir einfach ein Menschenrecht.

Nach uns die Sinflut, vor uns das Gulasch und der Schweinebraten. Hauptsache für uns bleibt der Tisch reichlich gedeckt. Wir waschen unsere Hände in Unschuld und geben uns gänzlich unbeteiligt am Elend der Welt.

Wir schaffen das nicht. Wie dumm und in der Konsequenz zynisch ist dieser Satz angesichts von Menschen, die dringend unsere Hilfe brauchen.

Wo bleiben da der Respekt vor dem Leben und der Menschenwürde, wo bleibt der Gedanke an die Nächstenliebe und wo bleibt die Einsicht, dass wir Verantwortung haben und übernehmen müssen für die Welt in der wir leben.
Gnadenlos ist der politische Diskurs über Menschenlawinen und Flüchtlingswellen,
in der der Einzelne ganz und gar vergessen wird. Gnadenlos zuweilen auch das Regelwerk der Asylpolitik. Wo gehobelt wird, da fallen schließlich Späne.

Aber da gibt es auch noch die Begegnung zwischen den Menschen.

Da ist die Neugier aufeinander und das Staunen übereinander, und ja auch das Gefühl der Fremdheit ist da, und manchmal ärgert man sich dann auch. Wenn Ärztetermine nicht pünktlich eingehalten werden, weil der Begriff von Zeit ein Anderer ist,
oder ein Gegenüber all zu lautstark wird, weil das die Art und Weise der Kommunikation ist, die zu Hause gelernt wurde.

Da sind all diese Fremden und man begegnet ihnen, und dann klingt Gesang aus der Gemeinschaftsküche und man sieht mit staunen Fisch und Fleisch in einer Suppe,
und nach einiger Zeit wird das Deutsch, das man spricht schon verstanden,
und dann ist dieser Fremde schon etwas weniger fremd.

Man hört dann über die Gründe der Flucht, und wie es in der Heimat war,
und worauf sie jetzt hoffen, und all das ist eigentlich ganz einfach zu verstehen.

Es sind Menschen die bei uns Zuflucht suchen.

So müssen wir dann auch mit ihnen umgehen.
Was denn sonst.

(Zoltán Jókay)

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